Meine heutige persönliche Filmkritik:

Defiance
(2008)

Dieser Film ist heftig, obwohl oder weil er eigentlich ziemlich ruhig ist. Bis auf wenige vereinzelte Kämpfe ist vom Krieg schließlich nicht viel zu sehen, dafür die Folgen: Hunger, Leid, Ungewissheit, Misstrauen, Flucht, Angst. Die Handlung ist zurückhaltend und einfühlsam inszeniert, was stilistisch sehr gut funktioniert, auch durch die deutliche, aber nicht künstlich wirkende Farbkorrektur. Die Parallelmontage der Hochzeit des jungen Paares und des Hinterhalts von Tuvias Bruder mit den russischen Soldaten war erbauend zuversichtlich und fröhlich – und grausam zugleich, und spiegelt damit exakt die beiden gegensätzlichen Elemente des Films/der Situation wider: Kämpfen und lieben, Tod und Hoffnung - direkt und untrennbar, und in fließenden Grenzen. Menschlichkeit in einer unmenschlichen Situatio, beziehungsweise der Versuch, sie unter allen Umständen zu bewahren. Auf den Punkt gebracht bei den emotionalen Herausforderungen wie der ungeplanten Geburt, oder auch als der verängstigte deutsche Soldat gefunden und totgeschlagen wird – bei letzterem hat es also nicht funktioniert.

 

Dramaturgisch von Anfang an sehr gekonnt inszeniert: Es gibt keine sympathischen Helden, es gibt nur Anti-Helden. Ich bin mit keinem der Hauptpersonen richtig warm geworden. Erst hatten beide Mitleid aufgrund der Situation verdient, dann kam plötzlich die grausame Rache von Tuvia, die obwohl nachvollziehbar natürlich äußerst zweifelhaft war, dann die beängstigende Erkenntnis, dass sein Bruder vielleicht doch recht haben könnte mit seiner Ansicht, dass Verstecken keineswegs zum Ziel führt; doch wie furchtbar sich Zus dann Anfangs bei den Soldaten verhält, verkehrt die Sympathien wieder in eine andere Richtung, nur um wenig später dann wieder zu drehen. Filmisch ein schönes Spiel mit Protagonist/Antagonist, wobei keiner von beiden klar das eine oder das andere ist, und beide immer irgendwie beides. Damit fängt es auch sehr gut den bekannten Sachverhalt ein, dass im Krieg offenbar die üblichen moralischen Vorstellungen nicht mehr gelten oder einem dauernden Wechsel unterworfen sind, wenn es erst mal ums nackte Überleben geht. Das zieht sich ständig durch die Laufzeit und es gibt immer wieder Situationen, die die personenbezogene Sehgewohnheit oder die Empfindungsgewohnheit merklich stören (es schließt sich wieder der Kreis zu den Situationen der Geburt und der Lynchjustiz). Beeindruckend empfand ich, dass es dennoch sichtbar wird, wie sich im Lager trotz aller Umstände zeitweise doch so etwas wie Alltag und eine gewisse Unbeschwertheit abzeichnen. Dass die Brüder nach Ihrer Trennung schlussendlich irgendwie wieder zusammenfinden, unter welchen Umständen auch immer, war absehbar, aber erfreulicherweise nicht unnötig verschmalzt, sondern im Gegenteil angenehm 'beiläufig'.

 

Insgesamt für mich ein solider Anti-Kriegsfilm ohne viel direkten Krieg zu zeigen. Aber wenn Kampf gezeigt wurde, war er filmisch einwandfrei und ohne unnötig aufgeplusterten Effekteschnickschnack, auch und gerade im Sounddesign. Als krasser Gegensatz dazu: Wundervoll idyllische Aufnahmen eines wunderschönen Waldes, was meines Erachtens wieder das Grundthema aufgreift.

 

Der Film ist für mich am stärksten in den ruhigen Momenten, die zum Glück die meisten sind. In denen ist er auch keine Freude anzusehen, sondern anstrengend und aufwühlend, und dadurch noch stärker. Wie der Schluss, bei dem die Farbkorrektur dezent in zuversichtliches bunt wechselt, und es sich wie ein Happy End anfühlt, aber klar ist, dass nun nur eine weitere Etappe im Überlebenskampf beginnt - auch wenn offenbar eine sehr entscheidende Hürde genommen wurde und es dann wirklich besser wurde).

 

Und erfreulicherweise habe ich Daniel Craig relativ schnell nicht mehr ständig als James Bond gesehen, was nicht selbstverständlich ist wenn man eine so legendäre Rolle einmal verkörpert hat (ähnlich bei allen anderen Bond-Darstellern und z.B. auch Leonard Nimoy/Spock, William Shatner/Captain Kirk.

 

Mein Lieblingszitat: 'Im Westen einer mit kleinem Bärtchen, im Osten einer mit größerem Bärtchen – da weiß ich doch genug über Politik.'

Sascha Loffl - Filmemacher

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