Meine heutige persönliche Filmkritik:

Killing Time
(2012)

Dieser Film wurde mir wärmstens empfohlen, verbunden mit dem Wunsch nach einer Rezension, dem ich natürlich sehr gerne nachkomme. Es handelt sich hierbei um einen rumänischen Film von 2012 über zwei Auftragskiller, die auf das Eintreffen ihrer Zielperson warten. Der Titel ist also durchaus als Wortspiel zu verstehen: 'Zeit zu töten' oder auch 'Zeit totschlagen/vertreiben'. Der Film verwendet sehr sehr lange Kameraeinstellungen. In den gesamten 90 Minuten gibt es vielleicht 20 Schnitte, die kürzeste Einstellung ist gut eineinhalb Minuten lang, die längste rund 20 Minuten. Gefüllt wird diese Zeit größtenteils mit grotesken Dialogen, die ganz klar nur als abstruser Small Talk dienen sollen, da die beiden schließlich nichts anderes tun als warten. Das Theaterstück Warten auf Godot lässt grüßen. Mehr jedoch war sicherlich die Tarantinosche Drehbuchschreibweise ganz klar Vorbild. Das spiegelt sich auch deutlich in den Charakteren an sich wieder, sowohl optisch als auch inhaltlich. Den Tarantino-Anspruch verfehlt der Film aber auch ganz klar! Einige der Dialoge (oder über weite Strecken eher Monologe) sind ganz witzig und durchaus nett zu lauschen (z.B. Batman vs. Spiderman: Spiderman ist impotent und schwul!), aber im großen Gesamtbild tragen sie den Film nicht befriedigend genug.

 

Dasselbe bei der Kameraarbeit. Ich mag ja Plansequenzen sehr gern, und mit einer Plansequenz einher geht ja oft eine sehr ruhige Inszenierung (vor allem wenn praktisch der gesamte Film kammerspielartig zu 95% in einer Wohnung spielt), was ich auch durchaus schätze. Leider sind aber auch hier deutliche Mängel erkennbar, sogar ganz banal in handwerklichen Dingen (Schärfe, Bildausschnitt, Handhabung, …).

 

Der globale Ablauf an sich ist episodenhaft bzw. aktweise angelegt und wird klar getrennt mit Einblendung der Uhrzeit auf schwarz. Zum Erzählrhythmus habe ich ein schönes Zitat gelesen: 'Viele Filme aus Osteuropa haben ein ganz eigenes Verhältnis zu Zeit. Während gerade moderne Hollywood-Blockbuster oft hektisch geschnitten sind und auf eine völlige Reizüberflutung setzen, scheint die Zeit hier oftmals still zu stehen. Da kann es durchaus vorkommen, dass ein Film mit einem gefühlt zehnminütigen Standbild einer einsamen Bushaltestelle mitten im verschneiten Nirgendwo beginnt, bevor die erste kleine schemenhafte menschliche Figur im Bild erscheint.' Unter diesem Aspekt ist Killing Time ein waschechter osteuropäischer Film! Es scheint stellenweise fast so, als ob der fragwürdige künstlerische Ansatz gewählt wurde: ‚'Wenn der Zuschauer nachvollziehen soll, wie der Charakter sich langweilt, dann muss ich den Zuschauer selbst und direkt langweilen'. Ein kurzweiliges Filmerlebnis findet dann natürlich nicht statt.

 

Die Nebenhandlung mit der Krankheit des Kindes des einen Killers soll wohl irgendwie Tiefe bieten und einen geschichtlichen Kreis, der sich dann mit dem eigenen Tod schließt, wirkte auf mich jedoch platt aufgesetzt. Die Darsteller (es sind insgesamt 5) spielen durchwachsen. Die Hauptcharaktere wirken mal ganz ordentlich und dann auch wieder weniger gut, z.B. wenn sie manchmal lange gedankenversunken ins Leere blicken, dann konnte ich als Zuschauer nicht wirklich oft etwas aus der Mimik lesen – der Darsteller guckte halt. Eine Nebendarstellerin, die nur panisch heult und schluchzt, macht das eigentlich sehr gut, und das Opfer liegt praktisch nur tot im Flur. Wirklich gut gespielt fand ich den älteren Herrn in der Eröffnungssequenz vor der Titeleinblendung. Hier geht es um ein monologartiges Gespräch von knapp 8 Minuten Dauer (ebenfalls ohne Schnitt).

 

Gelegentlich eingestreut sind kleine skurrile Gags, wie z.B. einen bestimmt 20 cm langen Rotzefaden aus der Nase der verheulten Nachbarin. Eklig, aber witzig und passend im Gesamtbild. Oder eine rabenschwarzhumorige Situation, in der der eine Killer den Aschenbecher auf dem erschossenen Opfer auf der Couch als 'Ablage' abstellt.

 

Bis auf ein Titelstück, das gleichzeitig auch Abspannmusik ist, gibt es keinen weiteren musikalischen Einsatz, was konsequent und nachvollziehbar ist zum Erreichen des gewünschten Stils. Ob er wirklich erreicht wird stelle ich stark in Frage (s.o.), aber das ist ja eine andere Sache. Das Lied empfinde ich als passend und durchaus gekonnt. Es handelt sich um ein aggressives Streicherstück, und erinnert ganz entfernt stilistisch an den Psycho-Score von Bernard Herrmann. Es fängt die absurde Handlungsweise der Charaktere gut ein durch eine dissonante und arhythmische Charakteristik, die letztendlich doch in eine 'anhörbare' Form führt. Nicht schön im klassischen Sinn, das soll aber so und das macht Spaß beim Hören.

 

Hat mich der Film an sich letztendlich befriedigt? Nein! Bedeutet das einen Verriss? Jein! Denn ich will fairerweise in die Waagschale werfen, dass ich vermute, dass das Projekt als komplettes Low-Budget-Projekt entstanden ist. Der Film sieht optisch einfach komplett billig aus. Die Wohnung und die Ausstattung sehen so aus, wie eine Privatwohnung halt aussieht, wenn man sie einfach nimmt, ein paar Tische rückt und anfängt zu drehen. Die Kameraqualität wirkt nicht hochwertig, und ob da überhaupt Licht gesetzt wurde -  ich bin mir nicht sicher. Und sollte der Film wirklich eine Produktion auf solchem Niveau sein, fände ich es unfair, ihn mit ‚den großen‘ in direkten Wettbewerb zu setzen. Zumal die deutsche Synchronisation entsprechend einfach produziert ist. Allerdings wirken auch andere Sachen eher amateurhaft, die nicht günstige Technik oder wenig Budget als Ursprung haben können, sondern rein gestalterisch bzw. von der Inszenierung herrühren: Nicht wenige der langen Kameraeinstellungen (wie gesagt: grundsätzlich mag ich lange Kameraeinstellungen sehr!) wirken komplett unmotiviert! Was ich damit meine: Wenn ich den Darsteller 3 Minuten lang verfolge, muss es ja auch irgendwie sinnig sein, oder zumindest bewusst erkennbar unsinnig - aber viele wirkten auf mich tatsächlich wie mit der Ansage gedreht 'Geil, je länger je besser, das is authentisch, also nur draufhalten'. Und das kippt dann eben ins Gegenteil und wirkt langatmig und unbeholfen. Ebenfalls wirkt v.a. vom Hauptdarsteller viel improvisiert, was ja durchaus sehr gute Momente generieren kann, aber es bekommt eben eine etwas trashige Anmutung, wenn man immer wieder merkt, wenn Kamera und Schärfe dabei etwas ins Schleudern geraten.

 

Insgesamt fällt es mir also schwer, eine abschließende Bewertung abzugeben, die ich als fair empfinde. Wirklich gut war der Film nicht, aber im Hinblick auf eine völlige Nischenproduktion, bei der ich von semi-professionellem Anspruch ausgehe, war er sooo schlecht nicht. Dennoch will ich es ganz klar aussprechen: Sollte der Film NICHT so entstanden sein, sondern als ganz reguläre Kinospielfilmproduktion, dann war er richtig schlecht!

Sascha Loffl - Filmemacher

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