Meine heutige persönliche Filmkritik:

Psycho
(1960)

Natürlich ist er ein Klassiker und natürlich geht man da auch entsprechend ran. Ich hab ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, aber ich wusste noch wie es ausgeht. Ich finde ihn wirklich spannend inszeniert, und sobald Norman Bates eingeführt ist, umgibt ihn in der Tat eine unheimliche Aura. Anthony Perkins spielt sehr schön, aber auch der Privatdetektiv hat mir sehr gut gefallen. Die lange, verhörartige Dialogsequenz ist fesselnd anzusehen. Interessant finde ich, dass man ab der Hälfte gar nicht mehr so sicher ist, was eigentlich der Schwerpunkt der Handlung ist. Wird von Anfang an ja Marion Crane und ihr Raub absolut in den Vordergrund gestellt, wird dies durch Ihren Tod relativ früh komplett aufgehoben, und es irritiert kurzzeitig, weil die Suche nach Ihr anfangs nicht sofort eingeführt wird, sondern der Fokus komplett auf Bates bleibt. Gut gemacht, wie man als Zuschauer zwischenzeitlich unsicher wird.

 

Die Musik ist natürlich absoluter Kult, und meiner Ansicht nach absolut zurecht. Der ausschließlich mit Streichinstrumenten gespielte Score bietet auch ohne Trommlerei o.ä. eine grausame Wucht, oder eben eine filigrane Fläche. Was mich ehrlich gesagt im Detail überrascht hat: Der Schnitt hat mir nicht selten nicht gefallen. Oft wurden Einstellungen aneinandergeschnitten, die nicht wirklich schön zusammenpassen. Oder einen eigenartigen Rhythmus aufweisen. Damit meine ich nicht die legendären Szenen wie in der Dusche o.ä., sondern banale Schnitte in der fließenden Handlung, die plötzlich etwas eigenartig ins Auge springen. Zwei Stellen beispielhaft: Gleich am Anfang im Bett, und wenn Norman Bates den Duschvorhang auf dem Boden ausbreitet. Vielleicht lag es auch am eher kleinen Produktionsaufwand mit geringem Budget, sodass nicht so viele Einstellungen und Varianten gedreht werden konnten, wie man sich gewünscht hätte. Aber auch für den lieben Alfred soll das keine Entschuldigung sein. Für den Zuschauer wirkt es sonderbar, und Produktionsprobleme o.ä. können nur eine Erklärung, aber keine Rechtfertigung oder Entschuldigung sein. Ansonsten empfand ich die Kameraführung als sehr gelungen und für die Zeit sicherlich weit vorne und gewagt. Schöne Fahrten, Bewegungen und Einstellungen an sich. Besonders herauszuheben die in Sichtachse vorwegfahrende Kamera, unterschnitten mit der Subjektiven, wenn Marions Schwester aufs Haus der Mutter zugeht. Und mein absoluter Favorit, der völlig unscheinbar daherkommt, aber eine enorme Bildgewalt erzeugt: Wenn der Privatdetektiv das Gästebuch im Hotel zitiert, und Norman Bates, um auch ins Buch sehen zu können, sich zu ihm rüber- und wieder wegbeugt, und dabei einfach nur zuhört. Da schwenkt die Kamera ganz geläufig mit, erreicht aber einen sehr sonderbaren untersichtigen Endpunkt, der den Charakter unwirklich und bedrohlich wirken lässt. Zusammen mit der gelungenen Lichtstimmung wirklich toll! Die Lichtstimmung mit den schwingenden Lampen im Schlusskampf mit der Mutter ebenfalls herauszuheben.

 

Der Vortrag des Psychiaters zu Norman Bates‘ schizophrenen Störung war spannend und schlüssig gestaltet, und in seiner Zeit sicherlich auch ein Novum, erinnert er im Nachhinein betrachtet durchaus an heutige Krimis, bei denen ein möglichst verzwicktes Täterprofil gewünscht ist. Die Schlussszene mit Bates in die Decke eingewickelt, wie er zum Schluss einer langen, ruhigen Einstellung zu grinsen beginnt und eine halbe Sekunde lang der mumifizierte Kopf der Mutter halb durchgeblendet wird, ist wirklich schön gruselig! Dann als allerletzte Einstellung des Films das Auto zu zeigen, wie es aus dem Moor gezogen wird, finde ich persönlich unmotiviert und daher etwas unpassend. Dass die Ermittler wissen, dass sich Leichen und Geld wohl im Moor befinden, wird kurz zuvor gesagt, von daher bringt diese Einstellung nicht die Erkenntnis 'Aha, die Polizei hat’s rausgekriegt!'.

 

Alles in allem ist der Film aber schön gestaltet, und für einen Film dieser Zeit wirklich außergewöhnlich gruselig – gilt er doch als Vorläufer des Psychothrillers. Aber genug geschrieben, nun muss ich mich wieder um Mutter kümmern...

Sascha Loffl - Filmemacher

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